Morgen

Karin Boye


Wenn Morgenstrahlen durch das Fenster schleichen,
vorsichtig glücklich,
wie ein Kind, das überraschen möchte
früh, ganz früh am Feiertag,
dann strecke ich voll wachsenden Jubels
die offenen Arme zum kommenden Tag –
der Tag, das bist du,
das Licht, das bist du,
die Sonne bist du,
der Frühling bist du,
in Allem das herrliche, herrliche,
harrende Leben bist du!


Am Fenster

Bo Bergman


Heut morgen von deinen ersten Falten
geritzt um dein Aug’ ich sah ein paar,
dann nahm so zärtlich von meiner Schläfe
deine Hand ein ergrautes Haar,

und wir saßen da am off'nen Fenster
und dachten an vergang’ne Müh’n,
als die Abendröte fiel ruhig
über kleinstädtisch' Dächer und Grün.

Und dort vernahm man Glockengeläute,
der Abend war ernst und ach so tief.
Ich nah dem Friedhof sah ein Mädchen,
das sacht entlang der Straße lief.


Abendgebet

Karin Boye


Keine Zeit ist wohl wie diese
letzte, stille Abendstunde.
Leer ist nun der Sorgen Wiese,
leis' verklingt der Stimmen Runde.

Nimm und halt' in deinen Händen
diesen Tag. Er geht zur Neige.
Du zum Guten kannst es wenden,
war ich mutig oder feige.

Böses denk’ ich, Böses sage,
doch du heilst mich, machst mich reine.
Du verwandelst meine Tage,
sind statt Kies nun Edelsteine.

Du darfst tragen, du darfst heben,
dabei lass’ ich alles liegen.
Nimm mich, lenk mich, schütz’ mein Leben!
Möcht’ in deiner Hand mich wiegen!


An die Liebe

Dan Andersson


Man sagt, dass ein gläubiger Mann, ein Prophet,
mit mächtiger Stimme von Erz, wie aus Stahl,
der niemals der Liebe Geheimnis errät,
gehört zu der törichten Zahl.

Denn jed’ Prophezeiung und Psalm wird vergehn,
entfliehen wie Rauch der Vergänglichkeit Spott,
doch was von der Liebe erfüllt soll bestehn,
und leben und wohnen als Gott.

In Liebe die stachlige Distel wird weich,
und Mairegen wässert das trockene Land.
Die Rose darf duften, das Feld blühet reich
im wüstenhaft brennenden Sand.


Du gehst nicht alleine

Carl Jonas Love Almqvist


Wenn von tausend Sternen
einer nieder auf dich schaut:
Glaub’ an den Sinn dieses Sterns,
glaub’ seines Auges Glanz.

Du gehst nicht alleine –
Freunde des Sterns am Himmel
alle nun harren deiner,
schauen für ihn auf dich.

Er hat dich froh gemacht;
Bist des Himmels heut' Nacht.


Ein Morgentraum

(IV.-V. Strophe)

Gustaf Fröding


Wie die Knospe der Rose in Lenzeszeit
von verhüllenden Blättern den Stempel befreit,
lag sie nackt und so aufblühend schön,
in der Sonne, bei Brise und Föhn,
mit den Knien gespreizt, mit dem Schoße schon bebend,
sich zum Luststoß des Liebsten erhebend.

Seel’ in Flammen, Blut des Scheins,
er war ihres, sie war seins,
er ward sie und sie ward er,
alles, eins von zwei’n,
als der Junge mit Begehr
drang in sie hinein.

Sie den Kopf zärtlich neigte, zum Küssen erhob
und den Schoß gen den Anbeter schob
und leerte des Lebens, der Liebe erlesenen Trank,
als mit Kraft in sie sank
seinen Lebenssaft,
der sie anfachte, dank
seiner Kraft.


Einmal

Pär Lagerkvist


Einmal wirst du einer von denjenigen sein, die vor langer Zeit gelebt haben.
Die Erde wird deiner gedenken, so, wie sie des Grases gedenkt und der Wälder,
des verrottenden Laubes.
So, wie der Boden sich erinnert
und so, wie die Berge der Winde gedenken.
Dein Frieden wird unendlich sein wie das Meer.


Hab keine Angst vorm Dunkel

Erik Blomberg


Hab keine Angst vorm Dunkel,
denn darin ruht das Licht.
Wir sehen keine Sterne,
dort ist das Dunkel nicht.

Im hellen Irisringe
scheint dunkel die Pupill’.
Das Licht dorthin in Sehnsucht
erbebend fliehen will.

Hab keine Angst vorm Dunkel,
das Licht ruht in dem Nichts.
Hab keine Angst vorm Dunkel,
es trägt das Herz des Lichts.


Im Volksweisenklang

Nils Ferlin


Die Liebe, sie kommt, und die Liebe, sie geht,
niemand kann wissen weswegen.
Mit dir möcht’ ich sein, wenn der Frühlingswind weht,
und auch in des Herbstes Regen.
Mein Herz gehört dir,
dein Herz gehört mir
und bleibt bei mir immer geborgen.
Mein Glück gehört dir,
dein Glück gehört mir,
und weinst du, dann sind’s meine Sorgen.

Die Liebe die Wüste des Lebens begießt,
nichts in der Welt kann sie halten.
Der härtesten Erde die Rose entsprießt,
wie Äxte, die alles zerspalten.
Mein Herz gehört dir,
dein Herz gehört mir
und bleibt bei mir immer geborgen.
Mein Glück gehört dir,
dein Glück gehört mir,
und weinst du, dann sind’s meine Sorgen.


Küssender Wind

Hjalmar Gullberg


Er kam wie ein Wind.
Ob ein Wind auf Verbotenes schaut?
Dann fing er an lind
zu küssen die Glut deiner Haut.
O ging’ es danach nicht zu weit!
Geliehen warst du, bloß die Frau
des Anderen, nachts, in der Zeit
der Fliederduft lau.

Er küsste die Wange, dein Haar.
Was kümmert den Wind
die große Gefahr?
Er küsste die Augen ganz blind.
Im Anfang du keinesfalls
gedachtest in Lust zu erglühen,
doch bald schon umschlangst ihm den Hals
wie Flieder zart blühen.

Nach dem Kuss auf den Mund
das Letzte an Einwand zerrann.
Die Lippen nun wund
sind halboffen in seinen Bann.
Ein Wind kommt, ein Wind vergeht:
Zerstört wird des Weltbildes Glaube
durch den Hauch, als im Frühsommer weht
des Goldregens Traube.


Melodei

Bo Bergman


Wenn du nur gehst in die Weiten
quirlt jede Quelle,
läutet dein Nam’ in der Kluft.
Lodernd die Wolken begleiten,
wirbeln das helle
Laub so wie Gold durch die Luft.

Über die schäumenden Strände
wähn’ ich die schwingende
Stimme, verjagend den Schmerz.
Nun aus dem Dunkel die Hände
reich’ mir. O zwingende
Marter: Verlasse mein Herz!

Wenn du nur gehst in die Weiten,
wenn ich nur wähn’ dich
wandernd verlassen vorbei,
schwingen ohn’ Ende die Saiten.
Gabe unendlich:
Liebesmacht wird Melodei.


An

Jakob Sande

Von dir ist mein Wesen umhüllt,
die Seele von dir ist gefüllt:
Du bist in mir.
Im Traume ich zage,
und müd’ nach dem Tage
bin ich bei dir.

Komm nahe, und sachte beginn
zu streicheln mein Haar und mein Kinn
und sag: du bist mein!
Der Kindheit verblassende Zeiten,
des Lenzes wolllüsternes Streiten
– vorüber die Pein.

Die Augen nun öffne mir, dass
sie, blau wie des Mondes Nacht, blass
ich sehe im Nu:
Wie des Traumes Tau, fern
dem erlöschenden Stern,
nun sanft geht zur Ruh.

Verrücktheit schürst du,
den Atem spürst du
weich an die Wange.
Dein Mund schmiegt sich
innig an mich.

Ewige Wundernacht,
dein ist die Sternenpracht,
das, was ich kenne.
Feuer, das nährt,
Feuer, das zehrt,
brenne!


Mir frieren deine Hände

Bo Bergman


Mir frieren deine Hände.
Welch' Lust lässt dein Lächeln erahnen!
Du zündest Freudenbrände
und Ängstlichkeit auf meinen Bahnen.
Umarme, als stattliche Gabe
die Welt, seitdem meines du bist.
So arm, dass ich nicht einmal habe
das Blut, das mein eigenes ist.


Nocturne

Evert Taube


Auf meinem Arm, ohne Sorgen
schläfst du des Abends in Vollmondes Strahl.
Glücklich und warm, ganz geborgen
fliehst du im Traume, der Liebe Gemahl.

Schon bist du wach, unentschieden.
Willst nicht, und willst – wirst geküsst in der Nacht.
Dann gibst du nach, findest Frieden.
Baldig du ruhst, von der Liebe bewacht.

An des Gesichts schweren Lider
sachte der Mondschein behutsam sich schmiegt.
Schimmer des Lichts leuchtet wider
auf deine Brust, als die Zeit uns verfliegt.

Ruhe so viel hegt dein Wesen.
Mitten im Kampf bist du fern aller Harm.
Längst ist das Spiel aus gewesen.
Frühlingsnacht kühlt deiner – auf meinem Arm.


So schimmernd war’s noch nie am Meere

Evert Taube


So schimmernd war’s noch nie am Meere,
der Strand mir nie zuvor so weit erschien,
Fluren, Auen und die Bäume nimmer so herrlich,
die Blumen dufteten nie entzückender,
als wenn du sachte mit mir gingest,
zu wunderbarer, sommerwarmer Abendzeit
verbargst du mich in deinen Locken,
während du Qual und Leid aus mir verjagtest,
Liebling,
in dem ersten Kuss.


Wie kann ich sagen,

ob deine Stimme schön ist

Karin Boye


Wie kann ich sagen, ob deine Stimme schön ist.
Ich weiß ja nur, dass sie mich durchdringt
und mich zum Erzittern bringt
und mich in Fetzen reißt und mich sprengt.
Was weiß ich über deine Haut und deine Glieder.
Ich bin nur erschüttert darüber, dass es deine sind,
für mich gibt es so weder Ruh’ noch Rast,
bis sie meine sind.


Willkommen

Eeva Kilpi


Sag mir bitte, wenn ich dich störe,
sagte er, als er hinein trat,
dann gehe ich sofort.
Du störst nicht nur,
erwiderte ich,
du erschütterst meine ganze Existenz.
Willkommen.