Am Ende gab es Standing Ovations im doppelten Sinn. Nach der Premiere von Orpheus standen Tanzdirektor Johannes Wieland und Generalmusikdirektor Patrik Ringborg mit Tänzern, Musikern und Statisten auf der Bühne des Kasseler Staatstheaters, nahmen den ausgelassenen Jubel entgegen und zeigten nach hinten. In der Intendantenloge des Kasseler Staatstheaters saß Komponist Hans Werner Henze, der die Geschichte um den antiken Helden 1978 neu erzählt hatte. Der 86-Jährige, der die meiste Zeit im Rollstuhl sitzt, war aus Italien angereist. Nun stand er unter dem Jubel kurz auf. Es war ein Moment voller Größe... Die Musik, vor allem der Rhythmus und die Dissonanz, treibt die Handlung an, der Klang wird konkret, indem er Personen bezeichnet: Orpheus mit Gitarre, Harfe und ruhigen Tonfolgen, Apollo mit Blech- und Hörnerschall und harten Dissonanzen, Eurydike mit sanften Cembalo-Klängen. Eindrucksvoll auch das mächtige Orgelsolo beim Auftritt des Unterwelt-Herrscherpaares (hier mit Kind). Und doch ist die Musik nicht einfach illustrativ. Patrik Ringborg gelingt es, mit dem Staatsorchester ein farbenreiches Spiel zu organisieren und einen starkem musikalischen Fluss zu erzeugen, in dem selbst extreme Momente wie lärmende Orchestertutti und subtile Gitarrentupfer nicht Episoden bleiben, sondern sich auf suggestive Weise zu einem Ganzen verbinden. Ein Triumph, nicht zuletzt auch für den anwesenden 86jährigen Komponisten.