Poulenc

Dialogues des Carmélites am Staatstheater Kassel, April 2009:
Uneingeschränkt geglückt auch die Orchesterleistung. Mit einem hoch konzentrierten Dirigat führte Patrik Ringborg seine Musiker souverän durch die heikle Partitur. Die vielen Taktwechsel, die abrupten Stimmungsumschwünge - all das wurde vorbildlich musiziert, so dass ein instrumentaler Kommentar entstand, der, ohne je ungebührlich aufzutrumpfen, der blitzsauberen Inszenierung ideal zuarbeitete.
Triumph der Schwachen
... Die musikalische Sogwirkung, die Poulencs Oper erzeugt, entsteht indes zu einem erheblichen Teil im Orchestergraben. Nicht die einzelnen Wurzelstränge seiner Musiksprache, zu denen alte Sakralklänge ebenso wie Puccinis Wirkungsmusik zählen, sondern Poulencs Genie der Verschmelzung und rhythmischen Verfeinerung verleihen dieser Musik einen Suchtfaktor. Patrik Ringborg erzeugte mit dem Staatsorchester daraus ein gleichermaßen dichtes wie leichtes Spiel der Farben und Motive. Verklärung? Zu schön, um wahr zu sein? Poulencs Musik muss nicht schreien, um dramatisch zu sein. Aber sie leuchtet und erzeugt für die Figuren so etwas wie Liebe. Langer Beifall und Bravos im nicht ganz ausverkauften Opernhaus.
Nicht zu allen Zeiten klingt die Stimme der Menschlichkeit gleich. Bald ist sie rauher, bald milder. Oft aber bediente sie sich des französischen Idioms. Francis Poulenc hat in seinem Tonsatz nicht nur einige charakteristische Harmonie-Verbindungen Richard Wagners aufgegriffen, sondern bedient auch süffige Puccinismen. Patrik Ringborg sorgt für eine durchgängig intensive Realisierung der insgesamt sehr historistisch getönten Partitur - mit Nicole Chevalier als Blanche, Cornelia Dietrich als alter Priorin und Monika Walerowicz als Mutter Marie, einem halben Dutzend solistischer Frauenstimmen und einem vorzüglichen Frauenchor werden die Intentionen des Komponisten in bemerkenswerter Weise in die musikalische Bekenntnis-Tat umgesetzt.
In Poulencs Musik berauschen aparte Farben und Pfefferminzakkorde in einem Orchestersatz ohne pedantische thematische Arbeit sowie ein fließender Dialog der Stimmen mit vielen Tonwiederholungen. ... Mit federnder Rhythmik gibt der gallische Klassizist Poulenc dem Sentiment einen Hauch von Leichtigkeit. Als sensitiver musikalischer Geschichtenerzähler leuchtet GMD Patrik Ringborg die Partitur im Dienste des Dramas aus. Eindringliche Steigerungsbögen gestaltet er mit den Sängern, so mit der amerikanischen Sopranistin Nicole Chevalier.
Die reiche Klangfarbenpalette Poulencs ist bei Dirigent Patrik Ringborg in guten Händen: Er führt das gut disponierte Staatsorchester souverän und sorgt für wohlige Schauer.
Revolutionsoper als stimmiges Gesamtkunstwerk
Selbst wenn die Handlung stillsteht, herrscht stetige Bewegung im Orchestergraben. Und es ist ein Verdienst von Patrik Ringborg, der die Kunst der feinen Übergänge beherrscht, dass die Stilvielfalt des erzählenden Orchesters als musikalische Einheit erfahrbar wird. ... Poulencs Regiekonzept geht auf: ein erstrangiges Musikdrama und eine schlüssige Interpretation.
Das meisterlich gestaltete Klangbild erzwingt die unmittelbare Einfühlung des Zuhörers. Die episodenhaft eingeteilte, stimmungsvolle wie dramatisch zugespitzte, fein charakterisierende wie schlicht schöne Tonsprache erinnert an Filmmusik. Patrik Ringborg zelebrierte sie mit dem Staatsorchester Kassel in ausgefeilter Präzision. Doch gerade in der Perfektion der Ausführung verriet sich diese Musik auch als Verführungskunst, nachgerade als Kunst der Manipulation. Das Klangliche wird damit der Sinngebung der Oper absolut gerecht.
Auch musikalisch war der Abend eindrucksvoll... Mit seinem hochkonzentrierten Dirigat hatte Patrik Ringborg sein Orchester bestens in der Hand. Die vielen heiklen Taktwechsel, die Stimmungsumschwünge in der Partitur wurden vorbildlich verwirklicht, so dass ein instrumentaler Untergrund entstand, der, ohne aufzutrumpfen, der blitzsauberen Inszenierung ideal zuarbeitete.


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